Winterstürme YLENIA (int: DUDLEY), ZEYNEP (int: EUNICE), ANTONIA (int: FRANKLIN) – Februar 2022 (NW- und Mitteleuropa)
25. Februar 2022 – Report No. 1
Autor: Bernhard Mühr
1. Zusammenfassung
Über einen Zeitraum von rund einer Woche fegte eine ganze Serie kräftiger Tiefdruckgebiete über den Nordwesten Europas und das nördliche Mitteleuropa hinweg. Die Sturmfelder der Orkantiefs erfassten insbesondere den Süden Irlands und Englands, den Norden Belgiens, die Niederlande, die Nordhälfte Deutschlands sowie den südwestlichen Ostseeraum. Vielerorts wurden Orkanböen registriert, auch im Landesinneren erreichte der Wind Geschwindigkeiten von vereinzelt mehr als 118 km/h. Die Station Needles auf der Isle of Wight stellte mit gemessenen 196 km/h möglicherweise einen neuen Höchstwert der Windgeschwindigkeit für England auf. Auch in Deutschland konnten neue Spitzenwerte der Windgeschwindigkeit für den Monat Februar an einigen Stationen verzeichnet werden. Für Hunderttausende kam es zu Stromausfällen, erhebliche Einschränkungen gab es darüber hinaus vor allem im Schienenverkehr, der regional ganz eingestellt wurde. Hamburg verzeichnete nach 2013 das erste Mal wieder eine sehr schwere Sturmflut mit einem Wasserstand von mehr als 3.5 Meter über dem mittleren Hochwasser. Die Orkane forderten einige Menschenleben und richteten große Sachschäden an, die sich nach ersten Schätzungen alleine für Deutschland auf mehr als 1 Milliarde Euro belaufen.
2. Meteorologische Informationen
2.1 Großräumige Luftdruckverteilung über dem Atlantik und Europa
Die Voraussetzungen zur Ausbildung intensiver Tiefdruckgebiete schuf eine bestens etablierte Frontalzone, die zur Mitte des Februar 2022 eindrucksvoll in Erscheinung trat. Das 6-Tage-Mittel der Höhe der 500-hPa Geopotentialfläche zeigt eine gut gebündelte, fast glatte und weitgehend zonal orientierte Frontalzone, die von Nordamerika über den gesamten Nordatlantik nach Nordwesteuropa gerichtet ist (Abbildung 2 links). In Bezug auf den langjährigen Durchschnittswert (1991-2020) ergibt sich daraus ein riesiges Gebiet mit negativen Geopotentialanomalien, die vom Osten Kanadas über den Süden Grönlands, Schottland bis nach Skandinavien reicht. Über der nördlichen Nordsee betragen die Anomalien mehr als 24 gpdam unter ihren langjährigen Vergleichswerten. Eine höheres Geopotential als im Mittel erstreckt sich dagegen von der Ostküste der USA über die Bermudas und die Azoren bis nach Spanien und in den westlichen Mittelmeerraum (Abbildung 2 rechts), die Werte liegen hier rund 10 gpdam über der Norm.
Ausdruck einer gut ausgeprägten Frontalzone sind immer hohe Windgeschwindigkeiten in der oberen Troposphäre, der sich beispielsweise im 300 hPa-Niveau manifestiert. Der Jetstream verläuft teils als schmales, langgezogenes und nahezu gerades Band extremer Windgeschwindigkeiten über den Nordatlantik, teils mäandriert er in Form riesiger Wellen über den Atlantik und Europa (Abbildung 3). Nicht selten betragen die Windgeschwindigkeiten in rund 9 Kilometer Höhe mehr als 300 km/h, sie können beispielweise am 17. und 18. Februar 2022 auch über Mitteleuropa angetroffen werden.
Im Bereich der Frontalzone setzte eine kräftige Zyklogenese ein, die zwischen dem 16. und 21. Februar 2022 in mehreren und intensiven Sturm- und Orkantiefs ihren Höhepunkt fand. Über die Sturmfelder, die sich mit den Tiefdruckgebieten ausbildeten, gibt Abbildung 4 Auskunft. Sie zeigt Analysen der Windverhältnisse im 850 hPa-Niveau zu vier verschiedenen Zeitpunkten. Am 18. Februar 2022, 12Z, traten die stärksten Windgeschwindigkeiten am Südrand des Tiefdruckgebietes „Zeynep“ in Erscheinung (Abbildung 4 links oben). Die maximalen Windgeschwindigkeiten betragen über dem Südwesten und Süden Englands, im Umfeld des Ärmelkanals sowie über der südwestlichen Nordsee zwischen 150 und 200 km/h. 12 Stunden später hatte sich das Tief „Zeynep“ mit seinem Zentrum bereits zum Kattegat verlagert, an seiner Südflanke überdeckte das Sturmfeld mit kaum geringeren Windgeschwindigkeiten die Gebiete von den Niederlanden über Norddeutschland bis zur südwestlichen Ostsee (Abbildung 4 rechts oben). Mit „Zeynep“ wurden in England und im nördlichen Mitteleuropa die höchsten Windgeschwindigkeiten gemessen. Hinter der südostwärts schwenkenden Kaltfront setzten sich in sehr labil geschichteter Kaltluft extreme Windböen bei Schauern auch am Boden durch. Fast überall in den nördlichen zwei Landesdritteln Deutschlands traten in der Nacht 18./19. Februar 2022 Windböen mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 100 km/h auf. In England konnte – vorbehaltlich einer endgültigen Bestätigung – an der Station Needles auf der Isle of Wight am 18. Februar 2022 mit 196 km/h ein neuer England-Rekord aufgestellt werden. Ob hier eng begrenzt zusätzlich ein sogenannter sting-jet am Werke war, in dessen Bereich kalte und trockene stratosphärische Luft bis zur Erdoberfläche herabstürzt und besonders große Windgeschwindigkeiten ermöglicht, kann hier nicht abschließend bewertet werden.
Als eindrucksvoller Wolkenwirbel tritt das Orkantief „Zeynep“, das international den Namen „Eunice“ trägt, auch auf Satellitenbildern in Erscheinung (Abbildung 1). Gegen Mittag des 18. Februar 2022 liegt das Zentrum von „Zeynep“ über dem Osten bzw. Südosten Englands, die Wolkenspirale überdeckt ganz Großbritannien und Teile Mitteleuropas, die langgestreckte Kaltfront verläuft über die Biskaya und Galizien mehrere Tausend Kilometer weit über den Nordatlantik nach Südwesten.
Die Analyse des Bodendruckfeldes mit Stationseintragungen am 18. Februar 2022, 00Z und 12Z, zeigt Abbildung 5. Um Mitternacht befindet sich das Zentrum des Tiefs „Zeynep“ (int: „Eunice“) mit einem Kerndruck von unter 980 hPa rund 300 Kilometer südwestlich von Irland (Abbildung 5 oben). 6 Stunden später konnte das Zentrum des Tiefs mit weniger als 975 hPa bereits über Irland analysiert werden (nicht gezeigt), und bis um 12Z hatte sich „Zeynep“ rasch zur westlichen Nordsee weiterverlagert (Abbildung 5 unten). Insbesondere an der Südflanke des Tiefs bildete sich ein extremer Luftdruckgradient aus, so dass im Umfeld des Ärmelkanals Windgeschwindigkeiten bis fast 200 km/h auftraten. Mit der Passage der Kaltfront von „Zeynep“ konnten auch in Mitteleuropa am Abend des 18. Februar 2022 und in der Nacht zum 19. Februar 2022 Windgeschwindigkeiten von verbreitet mehr als 100 km/h gemessen werden.
2.2. Messungen von Wind, Temperatur und Niederschlag
2.2.1 Wind in Europa
Die große Dynamik in den Wettervorgängen über dem Nordatlantik, sowie dem Nordwesten und der Mitte Europas spiegelt sich insbesondere in den Windgeschwindigkeiten wider. Die Abbildungen 6a-c zeigen die maximalen Windgeschwindigkeiten (Böen), wie sie an den jeweiligen Tagen im Zeitraum 15.-20. Februar 2022 aufgetreten sind. Für Deutschland stehen die Daten des Messnetzes des Deutschen Wetterdienstes zur Verfügung, die anderen Zahlenwerte beruhen auf METAR-Daten.
Bereits der 15. und der 16. Februar 2022 gestalteten sich im nördlichen Mitteleuropa windig (Abbildung 6a), in Böen erreichte der Wind nicht selten Sturmstärke. Das Tief „Ylenia“ entfaltete seine Wucht am 17. Februar 2022 vor allem über Deutschland, als fast im ganzen Land Windböen bis 100 km/h auftraten, an der Nordseeküste und auf den Bergen auch bis 150 km/h (Abbildung 6b oben). Und während Tief „Ylenia“ am 17. Februar 2022, 18Z, mit seinem Zentrum bereits weit im Osten über dem Finnischen Meerbusen lag, betrat das Tief „Zeynep“ (int: „Eunice“) vom Atlantik kommend die europäische Wetterbühne. An den Küsten von England und Wales traten Orkanböen bis 140 km/h auf, auch in London wurden am Nachmittag orkanartige Böen von 113 km/h registriert. Die höchste Windgeschwindigkeit der gesamten Sturmserie verzeichnete mit 196 km/h die Station Needles auf der Isle of Wight, einer der Südküste Englands vorgelagerten Insel. Auf der französischen Seite des Ärmekanals gab es in Boulogne mit 152 km/h die größten Windgeschwindigkeiten. Am Nachmittag erreichte das Orkanfeld die Benelux-Staaten . In Amsterdam traten Spitzenböen bis 126 km/h auf, in Vlissingen bis 137 km/h (Abbildung 6b unten).
2.2.2 Orkanböen in Deutschland
Tabelle 1: Verzeichnis der Station mit Orkanböen (mindestens 118 km/h) während des Zeitraums 16. bis 20. Februar 2022. Daten: DWD
In Deutschland konnten an allen Tagen des Zeitraums vom 16. bis zum 21. Februar 2022 Sturmböen und mancherorts auch Orkanböen verzeichnet werden. Sogar der 15. Februar 2022 brachte auf den Bergen und an der See bereits Orkanböen bis über 150 km/h auf dem Brocken. Tabelle 1 gibt Auskunft über die gemessenen Windgeschwindigkeiten an allen Station in Deutschland, in denen der Wind in Böen Orkanstärke ab 118 km/h erreichte. Am 17. Februar 2022 war es das Tief „Ylenia“, das vielerorts für Sturm- und Orkanböen verantwortlich zeichnete; Spitzenreiter war der Große Arber im Bayerischen Wald mit Böen bis 152.3 km/h. Das Sturmfeld von Tief „Zeynep“ erfasste Deutschland am Nachmittag des 18. Februar 2022. Es war gekoppelt an die Kaltfront des Tiefs, in deren Bereich es auch im Flachland und im Binnenland zu Orkanböen kam. Bereits gegen 14Z setzte die Station Geilenkirchen in Nordrhein-Westfalen mit 122 km/h ein erstes Ausrufezeichen. Wenig später wurden am Flughafen in Frankfurt/Main ebenfalls 122 km/h gemessen. Auch hinter der Kaltfront war eine labil geschichtete Luftmasse präsent, die in der Nacht zum 19. Februar 2022 weitere schwere Sturmböen und Orkanböen zuließ. Das Sturmfeld überdeckte den größten Teil von Deutschland nördlich des Maines. Die größte Windgeschwindigkeit der gesamten Sturmlage verzeichnete in Deutschland die Station Leuchtturm Alte Weser mit 163 km/h, in Büsum waren es 143 km/h, in Bremerhaven 126 km/h und in Schwerin 119 km/h.
Tabelle 2: Auswahl von Stationen mit neuen Rekorden der Windgeschwindigkeit für den Monat Februar. Daten: DWD
Abbildung 7 illustriert die Intensität des Wintersturms „Zeynep“ anhand der maximalen Windgeschwindigkeiten am 18./19. Februar 2022 in Deutschland. Fast überall standen schwere Sturmböen, orkanartige Böen oder sogar Orkanböen auf dem Programm, windschwächer ging es nur südlich der Donau zu. Eigenen Auswertungen zufolge gab es an einigen Stationen in Deutschland neue Rekorde für die maximalen Windgeschwindigkeiten im Monat Februar. Tabelle 2 listet einige Stationen auf, an denen es an einem Tag im Februar zuvor noch nie so windig war wie am 18./19. Februar 2022.
2.2.3 Temperatur und Niederschlag in Deutschland
Die größten und schadenträchtigsten Auswirkungen hatten meist die extremen Windgeschwindigkeiten. Aber auch Temperaturen und Niederschlagsmengen erreichten vielerorts beachtliche Werte – und sogar neue Rekorde.
Die kräftigen Sturmtiefs griffen mit ihrer Zirkulation weit nach Süden aus und transportierten sehr warme und feuchte Luftmassen subtropischen Ursprungs nach Nordosten. Abbildung 8 zeigt die Feuchtefelder im 700 hPa-Niveau, wie sie am 18. Februar 2022, 00Z, mit dem sich entwickelnden Tiefdruckgebiet „Zeynep“ schlierenartig nach Nordosten verfrachtet werden. Dort, wo ausgedehnte frontale Niederschlagsfelder annähernd strömungsparallel längere Zeit verweilen konnten, regnete es gebietsweise ergiebig.
Wiederholt luden die Fronten mit ihren ausgedehnten Niederschlagsgebieten große Regenmengen ab und lösten gebietsweise Überschwemmungen aus. Gegen Ende der Sturmserie war beispielweise das Tief „Antonia“ (int: „Franklin“) am 19./20. Februar 2022 für 24-stündige Niederschlagsmengen von mehr als 30 mm in England verantwortlich. In Shap im Nordwesten Englands kamen 37.8 mm zusammen, in Capel Curig 36.8 mm, in Eskdalemuir in Südschottland 34 mm und am Lough Fea in Nordirland 30.4 mm. Auch in Deutschland summierte sich der Niederschlag über einen Zeitraum von 6 Tagen zu enormen Mengen. Insbesondere im Norden und Westen des Landes konnten mehr als 50 mm verzeichnet werden, in den westlichen Mittelgebirgen, in Teilen des Emslandes und von Schleswig-Holstein waren es auch mehr als 100 mm (Abbildung 9 links). Der 6-Tages-Niederschlag entsprach in der Nordhälfte Deutschlands vielerorts bereits der durchschnittlichen Niederschlagsmenge des gesamten Monats Februar. Besonders nass war es vom Emsland bis zur Ostsee und in Teilen von Schleswig-Holstein fiel bereits mehr als das Doppelte eines üblichen Februarniederschlags (Abbildung 9 rechts).
Tabelle 3: Verzeichnis der Stationen mit neuen Rekorden der Tagesniederschlagsmengen für den Monat Februar. Datengrundlage: DWD
Tabelle 3 zeigt eine Auswahl von Stationen aus dem Messnetz des Deutschen Wetterdienstes, an denen neue Rekorde der Tagesniederschlagsmenge für den Monat Februar aufgestellt wurden. Das war insbesondere in Schleswig-Holstein der Fall, wo beispielsweise die Station in Schleswig am 20. Februar 2022 eine 24-stündige Niederschlagsmenge von 37.9 mm verzeichnete, so viel, wie dort an keinem Tag im Februar zuvor.
Sehr milde Luftmassen machten im Osten und Südosten Deutschlands für Mitte Februar ungewöhnlich hohe Temperaturen möglich. Hier und da wurden neue Dekadenrekorde (11.-20. Februar) verzeichnet. Die höchste Temperatur registrierte Piding im Landkreis Berchtesgadener Land in Bayern. Tabelle 4 zeigt einige Stationen in Deutschland, an denen neue Rekorde der Tageshöchsttemperatur für die zweite Februardekade (11.-20.) aufgestellt wurden.
Tabelle 4: Verzeichnis von Stationen mit neuen Rekorden der Tageshöchsttemperatur für die zweite Februardekade (11.-20.) in Deutschland. Datengrundlage: DWD
2.2.4 Die Kaltfrontpassage des Sturmtiefs „Antonia“ in Mitteleuropa
Das Tiefdruckgebiet „Antonia“ sorgte mit seiner Kaltfrontpassage in der Nacht 20./21. Februar 2022 für ein spektakuläres Ende der Sturmserie. Die Kaltfront arbeitete sich über einen Zeitraum von rund 10 Stunden als schmales Niederschlagsband von Nordwest nach Südost über Deutschland hinweg. Die Frontpassage war mit zahlreichen Blitzentladungen verbunden, insgesamt konnten mehrere Tausend Blitze registriert werden.
2.2.5 Wetterbeobachtungen an der Station des IMK (KIT) in Karlsruhe
Abbildung 11 zeigt den Verlauf von Temperatur, Luftdruck sowie Mittelwind und Windspitzen an der Station des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung in einer Höhe von rund 60 Metern über Grund. Das Institut befindet sich in Karlsruhe, einer Stadt am mittleren Oberrhein. Im Zeitraum vom 15. bis zum 22. Februar 2022 lassen sich die einzelnen Tiefdruckgebiete und ihr Durchzug vor allem anhand der Luftdruckkurve ablesen. Den Auftakt machte kurz nach Mitternacht am 17. Februar 2022 das Tief „Ylenia“; nach einem Druckanstieg um rund 15 hPa erfolgte die Kaltfrontpassage des nächsten Tiefs „Zeynep“ am Abend des 18. Februar 2022. Und schließlich überquerte die bestens ausgeprägte Kaltfront des Tiefs „Antonia“ die Wetterstation kurz nach Mitternacht am 21. Februar 2022 den Stationsort. Der Temperaturverlauf verrät die abrupten Luftmassenwechsel. So setzte sich am 18. Februar 2022 am Nachmittag zügig subtropische Warmluft durch, die Temperaturen erreichten Werte von 15 °C. Am Abend führte die Kaltfront zu einem Temperatursturz um fast 6 K innerhalb von Minuten. Der Wind erreichte dabei in Böen kurzzeitig Werte von 32 m/s (115 km/h), das sind orkanartige Böen. Ganz ähnlich verlief die Kaltfrontpassage des Tiefs „Antonia“, bei der sich um 6 K kältere Luft in Minutenschnelle durchsetzte.
3. Historische Einordnung und Auswirkung
3.1 Die Sturmtiefs im Februar 2022 im Vergleich mit früheren Stürmen
Es gibt viele Möglichkeiten, die Intensitäten von Sturm- und Orkantiefs zu bewerten und einen Vergleich vorzunehmen. Zum einen können die absoluten maximalen Windspitzen als Kriterium dienen, zum anderen kann der Blick aber auch auf die von Sturm- oder Orkanböen betroffene Landesfläche Auskunft gerichtet werden. Ein Ranking mag auch auf Berechnungen beruhen, die stationsspezifischen Eigenschaften des Sturmfeldes mit der jeweiligen Stationshistorie der Messreihe abzugleichen.
Tabelle 5 gibt eine Überblick über einige Herbst- und Winterstürme der letzten Jahrzehnte in Deutschland. Die Auswertungen beruhen auf den jeweiligen Tages-Spitzenböen der Windmessungen des Stationsmessnetzes des deutschen Wetterdienstes. Angegeben werden jeweils der arithmetische Mittelwert und der Median der Spitzenböen aller Stationen vom betreffenden Sturmtag, die absolute deutschlandweit registrierte höchste Spitzenböe, sowie das 75% und das 90% Perzentil, also die Geschwindigkeit, die an 25 bzw. 10 % aller Stationen übertroffen wurde.
Es sei darauf hingewiesen, dass sich Sturm- und Orkantiefs mit ihren Windfeldern nicht an Kalendertage bzw. einen 24-Stunden-Zeitraum bis Mitternacht halten; in einigen Fällen überqueren die Sturmfelder Deutschland auch während zweier Kalendertage. Die Auswertung berücksichtigt allerdings immer nur die Spitzenwerte der Böen, wie sie während eines Tages aufgetreten sind. Eine Ausnehme bildet hier lediglich das Orkantief „Zeynep“, für das die Spitzenböen zweier Tage (18. und 19. Februar 2022) in die Auswertung gelangten.
Tabelle 5: Zusammenstellung einiger Kenngrößen der nach dem 90% Perzentil stärksten Stürme im Zeitraum vom 01. Februar 1979 bis 22. Februar 2021 (Auswahl). Eigene Berechnungen. Datengrundlage: DWD
3.2 Klimatologische Kurzbetrachtung nordatlantischer Orkantiefs
Das National Weather Service Ocean Prediction Center (NWS OPC) untersucht die Entwicklung von Orkantiefs mit Windgeschwindigkeiten jenseits von 65 kt (120 km/h) auf dem Nordatlantik. Jeweils im Zeitraum vom 1. Juni eines Jahres bis zum 31. Mai des Folgejahres werden nicht-tropische Tiefdruckgebiete erfasst, die Orkanstärke erreichen.
Die Hauptsaison atlantischer außertropischer Orkantiefs dauert von Anfang Dezember bis Mitte März (Abbildung 12). Die rote Kurve repräsentiert die Anzahl der Orkantiefentwicklungen am betreffenden Tag, die schwarze Kurve beschreibt den gleitenden Mittelwert. Leider liegen über den zugrunde liegenden Bezugszeitraum keine Angaben vor.
Zwar können in Deutschland die Sturm- bzw. Orkantiefs „Ylenia“ und „Zeynep“ als durchaus kräftig bezeichnet werden, hinsichtlich Intensität reichen sie allerdings bei Weitem nicht an vergangene Winterstürme heran. Sowohl bei den absoluten Spiztenböen also auch bei den Windgeschwindigkeiten, die das 75% oder 90% Perzentil markieren, bleiben die Werte weit hinter denen historischer Sturmereignisse zurück.
3.3. Kurzübersicht der Auswirkungen der Sturmtiefs „Ylenia“, „Zeynep“, „Antonia“
- Gesamte versichtere Schäden in Deutschland (alle Stürme): > 1 Milliarde Euro, teuerster Wintersturm seit Kyrill (2007)
- 12000 Feuerwehreinsätze alleine in NW
- Mindestens 12 Tote (3 in DE, 2 in BE, 4 in PL, 3 in GB)
- Knapp 2 Millionen Haushalte europaweit ohne Strom (FR, IE; GB, PL)
- Einstellung Bahn-Regional- und Fernverkehr in Norddeutschland
- Zahlreiche Verkehrsunfälle durch Astbrüche / umgestürzte Bäume
- Sehr schwere Sturmflut Hamburg / St. Pauli: Pegelstand 375 cm über MHW (1088 cm)
- 90% des Badestrandes auf Wangerooge weggespült
- Höchstgelegene Bockwindmühle Deutschlands (438 m, Weimarer Land) zerstört
In Kooperation mit